In einigen Fragerunden bei Instagram, habe ich immer wieder gelesen, dass viele von euch sich einen neuen Job wünschen. Einen Job, der Ihnen Spaß macht und in dem sie ganz aufgehen können und ohne Vorurteile und Missverständnissen an ihrem Arbeitsplatz leben können. Viele von euch haben Bedenken wegen der MS. Wie sollte ich damit umgehen? Was wenn man mich fragt ob ich eine chronische Krankheit habe? Wie finde ich als Schwerbehinderter einen neuen Job?
Viele werden jetzt sagen, dass man nicht danach gefragt werden darf. So lange die MS deine Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt ist das auch richtig. Aber viele Firmen, gerade die kleineren machen dies trotzdem. Mir selbst ist es auch schon passiert. Eigentlich hätte ich das Formular gar nicht ausfüllen müssen aber so “naiv” wie man nun mal ist, macht man es trotzdem. Denn man möchte diesen Job, unbedingt! Mein Freund hat mir damals gesagt, wenn du gefragt wirst, dann darfst du “lügen”. Und das tat ich auch!
Nicht alle chronischen Krankheiten beeinträchtigen die Arbeitsleistung und müssen daher nicht angegeben werden
Wer konnte schon ahnen, dass ich gleich in der Probezeit mit einem Schub ausfalle. Ich war so voller Panik, als sich der Schub damals ankündigte, dass ich mir sonst etwas einfallen lies um bloß keinen Verdacht zu erwecken. Es ist ein blödes Gefühl, wenn man sich Geschichten ausdenken oder Ausreden einfallen lassen muss wenn man mal kurzfristig oder auch regelmäßig zum Arzt muss. Gerade wenn man ein gutes kollegiales Verhältnis hat, dann es es wirklich nicht schön immer wieder um den heißen Brei herum zu reden.
Nach meinem zweiten Schub innerhalb eines Jahres bin ich dann endlich mit der Sprache rausgerückt. Anfangs hatte man noch Verständnis und nahm Rücksicht aber das schlug sehr schnell um. Ich hätte nie gedacht, dass man mit so wenig Feingefühl und Verständnis jemandem gegenüber auftreten kann. Ich möchte nicht weiter auf die Details eingehen, denn ich habe rechtzeitig den Absprung geschafft und mir einen neuen Job gesucht. Denn meine Gesundheit hätte mich das nicht weiter mitmachen lassen.

MS-Schub in der Probezeit – was nun?
Ich überlegte lange, wie ich diesmal mit so einem Fragebogen oder mit Fragen über die MS umgehen würde. Und ich entschied mich diese Fragen ehrlich zu beantworten. Denn entweder man stellt mich ein, weil man von meiner Arbeitsleistung und meinen Fähigkeiten überzeugt ist oder man lehnt mich ab, weil man mich nur auf meine Krankheit reduziert. Ich wollte offen damit umgehen um Offenheit von meinem Gegenüber zu erhalten. Sicher ist es nicht einfach, aber ehrlich zu sein hilft einem auch dabei ohne Druck und unbewussten Stress seinem Job nachzugehen. Ich möchte keine Geschichten mehr erzählen warum ich alle 3 Monate früher weg muss weil ich einen Termin beim Neuro habe. Oder mich zu rechtfertigen wenn ich länger ausfalle.
Diesmal wurde ich allerdings nicht gefragt! Ich überlegte lange ob ich es meinem neuen Chef erzähle. Oder ob ich mit meinen direkten Kollegen im Team darüber rede. Noch in der Probezeit entschied ich mich die Karten auf den Tisch zu legen und das Gespräch mit meinem Chef zu suchen. Natürlich hatten einige meiner Kollegen bei der Personensuche im Web schon meinen Blog gefunden und ich wollte nicht, dass irgendwelche Gerüchte aufkommen. Also ging ich zu ihm und erzählte ihm alles. Er bedankte sich, dass ich so offen und ehrlich war und sagte mir auch, dass ich zu ihm kommen soll, sollte ich Unterstützung brauchen. Es war ein gutes Gespräch und ich bin froh diesen Schritt gegangen zu sein. Zwar musste ich bis jetzt noch keine Hilfe oder Unterstützung in Anspruch nehmen. Aber es ist gut zu wissen, dass es möglich ist und das er die Gründe dafür kennt.
Mit Offenheit erhält man am meisten Unterstützung durch den Chef und Kollegen
Auch jetzt befinde ich mich wieder auf Jobsuche. Ich weiß, dass ich auch diesmal offen und ehrlich damit umgehen will, wenn ich danach gefragt werde. Oder zumindest das Gespräch suchen werde, wenn es in eine Situation kommt, bei der ich mir eigentlich eine Ausrede einfallen lassen müsste. Ich glaube fest daran, dass man mit Ehrlichkeit und Offenheit über seine Krankheit besser fährt und auch eher Akzeptanz und Rücksicht erhält. Wenn man bspw. mit Konzentrationsschwäche Probleme hat, ist es wichtig, dass der Kollege oder Chef bescheid weiß und dich unterstützen kann.

Auch in meinem Job den ich in der Zeit der Diagnose hatte, waren meine Kollegen und auch meine Chefin sehr verständnisvoll. Sie haben mir Zeit gegeben und waren sehr Einfühlsam. Gerade meine Chefin war mir in der ersten Zeit eine sehr gute Stütze. Mit Ihr habe ich in den ersten Tagen der ganzen Test und Diagnosefindung sehr oft telefoniert. Erst wusste ich nicht wie es weiter gehen wird. Ob meine Kollegen damit umgehen können. Aber alle waren super lieb und Hilfsbereit. Und sie haben mir Zeit gegeben das alles zu verarbeiten und mich nicht gleich in eine Schublade gesteckt.
Ich möchte in der Arbeitswelt nicht auf meine MS reduziert werden!
Zu meiner damaligen Chefin habe ich heute noch ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe ihr viel erzählt und sie weiß auch viel über meine Höhen und Tiefen mit der MS. Um so toller finde ich es, dass Sie mich immer mal wieder fragt wie es jobtechnisch aussieht. Vor allem dann, wenn sie mal wieder eine freie Stelle haben. Trotz MS stehe ich mit meiner Arbeitsleistung dort hoch im Kurs. Und genau das ist es was ich will!
Wie handhabt ihr das Geständnis MS zu haben im Job? Seid ihr schon mal in einer blöden Situation gewesen und musstet euch eine Ausrede einfallen lassen weil die Firma nichts von der MS weiß?
Es gibt immer wieder mal Fragen zum Thema MS im Job. Daher möchte ich eine neue Serie starten und Interviews mit Personalern, Recruitern und Unternehmen veröffentlichen. Auch einen Beitrag von einem Rechtsanwalt zum Thema Rechte Schwerbehinderter möchte ich gerne veröffentlichen. Habt ihr Ideen oder Themen, die euch in diesem Bereich interessieren? Dann schreibt mir gerne einen Kommentar oder eine Email an Jule [at] fitnessfoodundms.de